Vom Besamungstechniker zum Kalb

Der Nachwuchs bei unseren Milchkühen entsteht durch künstliche Besamung. Wer sich eine romantische Lovestory zwischen Kuh und Stier erhofft hat, muss ich leider enttäuschen. Die Zeugung ist ein steriler möglichst genau geplanter Vorgang und wird durch einen sogenannten Besamungstechniker (oder eine Besamungstechnikerin) durchgeführt. Bis es dazu kommt, muss die Kuh erst ihre Brunst anzeigen. Diese Anzeichen sind nicht immer eindeutig und der Bauer muss seine Kühe sehr gut kennen und lesen können. Der Zyklus einer Kuh dauert in der Regel 21 Tage. Brunstzeichen sind nervöses, aufmerksames Verhalten, muhen und das Bespringen (besprungen werden) einer Artgenossin und transparenter Ausfluss. Es gibt allerdings auch die stille Brunst, dabei macht die Kuh keinerlei Anzeichen, was extrem schwer zu lesen ist.  Damit eine Besamung erfolgreich ist, sollte sie rund einen halben Tag nach dem Besprungen-worden-sein durchgeführt werden.

Die Genetik kann nach verschiedenen Zuchtzielen ausgewählt werden. Dies variiert auf jedem Betrieb z.B.:  Milchleistung, Inhaltsstoffe, Geburtsablauf, Grösse, Hornlosigkeit etc.

Das Sperma wird im flüssigen Stickstoff bei -196 Grad Celsius in Kunststoffröhrchen gelagert und vor der Besamung im handwarmen Wasser aufgetaut.

Auf dem Weg vom Auto bis zur Kuh trägt der Besamungstechniker das Röhrchen am Körper, damit das Sperma die Fruchtbarkeit vor der Besamung nicht verliert. Dabei greift er mit der einen Hand (mit langem Handschuh) durch den Darm die Gebärmutter und mit der anderen Hand zirkelt er das Röhrchen vorsichtig via Scheide in die Gebärmutter rein. Wenn dies erfolgreich geklappt hat, stösst er mit einem Knopf das Sperma aus dem Röhrchen.

Die Kosten einer künstlichen Besamung belaufen sich je nach Genetik zwischen 20.- bis 100.-zuzüglich 29.- für den Besuch und die Arbeit des Besamungstechnikers.

Ob  man den richtigen Zeitpunkt im Zyklus der Kuh getroffen hat, sieht man, wenn die Kuh nach ca. 24 Stunden ein wenig Blut vom Eisprung aus der Scheide stösst. Dieses Zeichen ist jedoch keine Garantie für eine erfolgreiche Befruchtung der Eizelle.

Nach einer Wartezeit von mindestens 35 Tagen kann man über die Milch einen Trächtigkeitstest machen, indem man Trächtigkeitshormone feststellen kann. Mit Ultraschall oder einer manuellen Kontrolle sollte man mindestens 42 Tage warten. Das grösste Risiko für ein Absterben des Embryos besteht in den ersten 10 Wochen.

Die Trächtigkeitsdauer beträgt 9 Monate und 10 Tage.

Eine Laktationsdauer beträgt 305 Tage. Auf unserem Betrieb warten wir mindestens 10 Wochen nach der Abkalbung, bis wir eine Kuh wieder besamen. Je nach Milchleistung auch 100 Tage oder länger. Denn es macht keinen Sinn, eine Kuh mit 40 Litern im Euter zu besamen, denn tendenziell gilt, je mehr Milch die Kuh noch produziert, desto kleiner ist die Chance auf eine erfolgreiche Besamung.

Die Galtzeit (Zeit, in der sich die Kuh vor der Abkalbung erholen kann und keine Milch mehr gibt), beginnt auf unserem Betrieb 7 Monate und 10 Tagen  nach der erfolgreichen Besamung. Somit hat die Kuh rund 2 Monate Zeit, sich zu erholen und sich auf die nächste Laktation vorzubereiten. In dieser Zeit muss man allerdings aufpassen, dass die Galtkuh nicht zu dick (fett) wird, denn dann ist das Risiko einer Komplikation bei der Geburt viel höher; d.h. man muss diese Kuh nährstoffärmer füttern. Dabei geht es nicht darum, ihr weniger Futter vorzulegen, denn fressen muss sie immer genügend können! Galtkühe kommen bei uns rund 10 Tage vor Abkalbetermin zurück in die Herde, um sich an das gute Futter zu gewöhnen.

Komplikationen bei der Geburt kann es immer geben. Dabei kann das Kalb rückwärts oder auf dem Rücken liegen. Das Muttertier kann z.B. nach der Geburt einen Glukose- oder Kalziummangel haben (Festliegen) o.a. Wir unterstützen unsere Kühe bei der Geburt vielmals mit Homöopathie. Caulophyllum, Gelsemium oder Pulsatilla sind die häufigsten Mittel, welche wir bei der Geburt einsetzen. Seit wir dies tun, haben wir eher einfachere Geburten als früher, vor allem bei Erstkalbenden. Die meisten Kühe gebären spontan oder mit leichter Hilfestellung (Kettchen). In seltenen Fällen muss mit grösseren Komplikationen gerechnet werden. Einen Kaiserschnitt hatten wir zum Glück nur einen einzigen in 30 Jahren.

Kaum ist das Kälbchen da, bieten wir dem Muttertier frisches handwarmes Wasser und Heu an. Es kommt vor, dass eine Kuh nach der Geburt bis 80 Liter Wasser trinkt. Wenn nun eine Kuh weder Wasser noch Heu zu sich nimmt, ziehen wir möglichst schnell den Tierarzt hinzu, denn dies sind erste grosse Anzeichen eines Kalziummangels und Festliegen, was im Extremfall zum Tode führt. Mein Mann ist der Meinung, dass es einfacher ist, eine Kuh mit Kalzium zu versorgen so lange sie noch steht, als dass sie am Boden liegt! Dem Kalb geben wir möglichst schnell Kolostrum (Muttermilch) vom Muttertier, in dem wir dieses kurz von Hand melken. Das Wichtigste beim Kalb ist, dass es in den ersten 6 Stunden diese Milch getrunken hat, damit es die Immunisierung des Muttertiers übernehmen kann. Nach dem ersten Tränken bekommt das Kalb die obligaten Ohrenmarken, die in einer elektronischen Datenbank erfasst werden müssen. Das Setzen der Ohrenmarken ist wie Ohrlöcher stechen beim Menschen, nur ein wenig grösser. ;-)

Nach der Geburt wird auf unserem Betrieb das Kalb von der Mutter getrennt, da wir ein Milchwirtschaftsbetrieb und kein Mutterkuhbetrieb sind. Nebst der Milch bieten wir unseren Kälbern von der ersten Stunde Wasser und feines Heu an. Ein frisches Kälbchen trinkt 4-6 Liter Milch pro Tag.

Die Munikälber gehen mit rund 75kg auf einen Mastbetrieb.

Die Kuhkälbchen (weiblich) integrieren wir in die Aufzucht und bekommen Milch nebst anderem guten Futter bis sie 6 Monate alt sind. Danach gehen sie auf einen Partnerbetrieb in der Region  in den Aufzuchtvertag bis sie hochträchtig gut 2 Wochen vor Abkalbetermin zurück auf unseren Betrieb kommen. Bei der Geburt ihres ersten Kalbes sind unsere Kühe rund 25 Monate alt. Hier schliesst sich der Kreis, denn ohne Kalb gibt die Kuh keine Milch!

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